DIE "JEKT" UND IHR
EINFLUSS AUF DIE VERBREITUNG
DER STEINKJERORGEL
In der Gegend von Steinkjer wurden in der Zeit,
in der auch die Orgeln entstanden sind,
mehr als 1300 Segelboote gebaut, die unter
der Bezeichung "Jekt" zusammengefasst sind.
Wenn eine Jekt vom Stapel lief, war es eine absolute Notwendigkeit, dass dazu die Musik einer Steinkjerorgel erklang, "damit auf See nichts schiefgeht". Zu dieser Tradition gehörte auch, dass mindestens drei Feste gefeiert werden mussten, bevor die Jekt Wasser unter den Kiel nehmen durfte. Natürlich wurden oft die Drehorgeln für diese Feste hergenommen und auch zur Jungfernfahrt sorgte die Orgel für die notwendige Atmosphäre. Durch diese Traditionen verbreiteten sich die Steinkjerorgeln über die gesamte norwegische Küste. Auch war es so möglich, Tanzmusik an der Reede zu bieten, wenn das Schiff einen Hafen anlief.
Transport und Verbreitung der Orgel.
Einer der Gründe für die relativ große Zahl der gefertigten Orgeln in Steinkjer beruht nämlich auf einer anderen norwegischen Tradition, dem Bootsbau, im Trondheimer Fjord vor allen Dingen der Bau von Segelschiffen zum Lastentransport, die die Bezeichnung "Jekt" trugen. Der Bedarf an diesen Booten zum Gütertransport an der norwegischen Küste war groß und die Trondheimer Gegend war für eine großen Anteil an der Produktion der Jekts bekannt, die aus diesem Bedarf hervorging.
Der Werftbesitzer Ovesen, Schiffsbauer in Steinkjer (Photo: Foto: Henriksen. © Egge historielag 2011/Lars Lilleby Macedo)Die Musik der Steinkjerorgeln war durchaus auch Unterhaltung während der Reise und so wurde die Musik auch an den Anlegestellen gespielt, wenn die Schiffe in die Häfen kamen. Diese Tanzmusik stellte unter anderem ein weiteres, kleines Entgelt der Besatzung zusätzlich zum Transport dar. Die Drehorgeln sind aus diesem Grund automatisch immer wieder an der norwegischen Küste unterwegs gewesen, so dass sie durchaus auch weit von Steinkjer verkauft werden konnten.
Die Jekts waren das meist benutzte Transportmittel zwischen Städten und Dörfern im 17., 18. und 19. Jahrhundert. Die heimatliche Bauform der Jekts aus dem Trondheimsfjord wurde als "Innherredsjekt" bezeichnet und hatte, wie die alten Schiffe der Wikinger, ein Vierecksegel. Dies war ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Bauformen, die Großsegel, Besan und Vorsegel besaßen.
Das Segel der Jekt prägte ganz entscheidend den Charakter und das Aussehen dieses Schiffstyps. Das viereckige Segel war etwa 12 Meter breit und hatte eine Höhe von 15 Metern, die Jekt konnte üblicherweise zwischen 400 und 500 Fass (entsprechend 20 bis 30 Wagenladungen) befördern, also etwa zwischen 40 und 60 Registertonnen. Natürlich gab es auch größere Jekts mit mehr als 30 Meter Kiellänge, die 100 Wagenladungen aufnehmen konnten. Am Ende der Ära der Jekts um 1890 waren die größten Schiffe dieser Bauart für 800 bis 1000 Fass Kapazität ausgelegt. Diese Schiffe waren sehr gesucht, um den Frachtmarkt zwischen Bergen und Vardø zu bedienen.
Die Jekt war nicht für das Segeln hart am Wind geschaffen und es war auch schwierig, mit einer Jekt zu kreuzen. Wenn die Jekt aber guten Wind hatte, konnte sie beachtliche Geschwindigkeiten erreichen und es war sogar möglich, sich Rennen zu liefern. Dies liegt daran, dass die Gestaltung des Rumpfbodens der Jekt in Böen das Meer "planierte". Bis zu 16 Knoten Geschwindigkeit waren möglich und die Fahrt Bergen-Vadsø konnte in einer Woche, von Agdenes nach Lofoten in 2-3 Tagen durchgeführt werden.
Die Grundlage für die Schifffahrt mit Jekts waren die guten wirtschaftlichen Wachstumsbedingungen bei Innherred, es gab eine gute Produktion in der Primärindustrie, die den Verkauf von Produkten aus der Landwirtschaft und dem Wald erleichterte. Die Jekten aus Steinkjer konnten Getreide- und Brotprodukte, Fleisch- und Milchprodukte aus der Landwirtschaft zu Käufern in Trondheim und zu den Menschen in Nordnorwegen transportieren. Die Fischer aus dem Norden, die ihr Einkommen aus der saisonalen Fischerei bezogen, stellten auch einen wichtigen Transportmarkt dar.
Einen Großteil von Steinkjers Jekt-Schifffahrt könnte man als Dreieckshandel bezeichnen. Dies wurde besonders deutlich in der Zeit nach 1860, als die Heringsfischerei entlang der Küste im Norden wirklich zu großen Dimensionen heranwuchs. Die Jekts aus Innherred wurden auf den Lofoten und anderswo im Norden dabei oft als „Zwischenlager“ für Hering und anderen Fisch verwendet, der während des Fischfangs an Bord gesalzen wurde. Wenn die Jekt-Besatzungen auf solchen Missionen nach Norden fuhren, beluden sie die Boote vorher mit Agrar- und Milchprodukten, die sie nach Norden verkaufen konnten.
Auch Möbel, Drehorgeln, Holz bis hin zu ganzen Fertighäusern konnten bei diesem Hinweg ebenfalls nach Norden gebracht werden. Auf der Reise zurück nach Süden wurde Fisch geladen, der für die Stockfischproduktion nach Møre geliefert werden konnte, oder Fisch und Hering, der in Trondheim oder in Bergen gelöscht wurde. Die letzte Linie des Dreiecks waren dann die Verbrauchsmaterialien, die die Jekts von Trondheim und den anderen Orten wieder mit nach Steinkjer brachten, wo die Waren in den neuen Läden verkauft werden konnten, die sich in der kleinen Stadt angesiedelt hatten. 1857 hatte Steinkjer den Status eines Stapelhafens erhalten. Ziemlich zeitgleich zog auch die Produktion der Steinkjerorgeln an, die aufgrund der Jekt-Schifffahrt Käufer in ganz Norwegen fanden.
Jekt building.
Die Werft in Eggebogen (Quelle: Egge historielag)Während des Sommers 1879 war in Steinkjer ein immer gleiches, scharfklirrendes Geräusch zu hören. Es war dies das Geräusch der Hämmer, mit denen die Langnägel in die Holzplanken der Jekts getrieben wurden. In jenem Sommer wurden zeitgleich 2 Jekts gebaut, ungefähr an der Stelle, an der sich heute das Rathaus befindet und die Arbeitsgeräusche waren weit zu hören. Sehr wahrscheinlich sind um diese Zeit auch in der näheren Umgebung weitere Jekts gebaut und Reparaturen an den Schiffen vorgenommen worden, so in Eggebogen und in Steinvika. 1879 schließlich war die Schifffahrt mit den Jekts auf ihrem Höhepunkt.
Darf man Steinkjer zu Recht als Stadt des Jektbaus bezeichnen? Ja, das ist sicherlich mit einiger Sicherheit richtig, sogar, wenn wir das gesamte Norwegen betrachten und nicht nur an Trøndelag denken. Die Jekts aus dem Norden Norwegens sind sicherlich bekannter, so dass man leicht dem Irrtum verfallen könnte, im Norden den Kernbereich für den Einsatz der Schiffe zu vermuten. Es überrascht nämlich, dass die Auswertungen der Berichte von Provinz-, Kreis- und Steuerbeamten etwas völlig anderes aussagen: 1880 waren in Bodø 20 Jekten ansässig, während es in Steinkjer 40 waren!
Der Vergleich mit Bodø wird hier nur erwähnt, um darauf hinzuweisen, dass Steinkjers Geschichte der Jektschifffahrt nahezu unbekannt ist. Und nicht nur die Stadt Steinkjer hatte viele Jekts, sondern auch die Dörfer rund um die Stadt. Besonders auf der Westseite des Fjords war die Verbreitung der Jekts stark. Wie können wir erklären, dass wir inmitten des dichtesten Agrarlandes von Trøndelag eine blühende maritime Umgebung vorfinden? Warum wurde die "Stadt der Dörfer" auch zur Jektstadt?
Zunächst ist zu erwähnen, wie durch die Modernisierung mehr Verkehr nicht nur in Innherred, sondern an vielen Orten in unserem Land erforderlich wurde. Die Liberalisierung im Land, die zu neuen Unternehmen führte und das städtische Wachstum bedingten, dass Menschen und Waren mehr als zuvor bewegt werden mussten. Das Wachstum der Städte führte zu einem größeren Bedarf an Einzelhandel, unter anderem weil die Landbevölkerung, die in die Stadt zog, Lebensmittel und andere Dinge kaufen musste, die sie zuvor selbst hergestellt hatten.
Der Bau und die Verbesserung der Verkehrswege an Land erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber selbst die größeren Straßen waren immer noch steil, kurvenreich und schwer zu erreichen. Das Meer hingegen, die alte und traditionelle „Straße“, war vorhanden und „gebrauchsfertig“. Wie in anderen maritimen Teilen des Landes war das Wissen um die Nutzung von Meer und Boot seit vielen Jahrhunderten vererbt worden. Hier in unserem Bezirk war der Einsatz großer Boote und auch der Jekts ein natürlicher Bestandteil des Alltags und des Berufslebens, in dem ansonsten die Landwirtschaft vorherrschte. Die Notwendigkeit des Transports von Gütern mit hohem Volumen und Gewicht war vorhanden, und die Jekts waren schon vor den Auswirkungen der Liberalisierung auf die Geschäftswelt weit verbreitet.
Daher wurde der Einsatz von großen Booten (eben den Jekts) in Innherred als natürlicher Bestandteil der täglichen Arbeit der produzierenden Unternehmen aufgenommen, in dem die Primärindustrien dominierten und Transportmöglichkeiten benötigten. Dies mag auch in anderen Landesteilen Norwegens ähnlich gewesen sein, aber es gibt ein paar Bedingungen, die Innherred wahrscheinlich etwas eigen waren und mögliche Erklärungen geben können, dass die Siedlungen im Herzen des Trondheimer Fjords sowohl im Schiffsbau als auch in der Schifffahrt mit den Jekts eine solche Position bekamen:
Das Material für die Herstellung von Schiffen dieser Größe war vor Ort in den Wäldern um Trøndelag reichlich vorhanden, sicherlich mehr als in anderen Gegenden von Norwegen. Trøndelag hat auch einen besseren Zugang zur offenen See als andere Regionen; es war hier auch einfacher, das Bauholz zu flössen, weil die großen Flüsse in der Region genügend Wasser führten, um es direkt zu den Werften zu bringen.
Pauline, eine erhaltene Jekt aus Innherred
"Pauline" mit dem Ankerhafen Kjerknesvågen in Inderøy, Trøndelag ist ein Veteranenschiff. Besitzer ist die Stiftung des Egge Museum (Stiftelsen Egge Museum). Pauline ist eine der letzten erhaltenen Jekts aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Pauline wurde 1860 als "Klinker gebaut"-Konstruktion - beim Bau des Schiffes wurden die Planken nicht auf Stoß gesetzt, sondern überlappend aufgebracht (das hat im nordischen Schiffsbau Tradition, so wurden schon die Schiffe der Wikinger beplankt) erbaut und trug den Namen "Letnesjekta" nach der Hofstelle, in der die Besitzer in Letnes, Inderøy lebten. Erst später hat das Schiff den Namen Pauline nach der Ehefrau des Besitzers erhalten. 1897 wurde das Schiff in der Werft von Nils Ovesen in Steinkjer überholt und wurde neu beplankt, dieses Mal "Carvel gebaut" - mit auf Stoß gesetzten Planken. Die Jekt wurde zwischen Trondheim und Arkangelsk sowie nach Bergen mit Holz, Handelsware und Fisch eingesetzt.
Nach einer Havarie 1914 wurde das originale Rechtecksegel durch ein Galeas-Segel ersetzt und das Schiff erhielt einen Motor.
1915 wurde die Jekt von Julius Sand in Eggebogen erworben und erhielt den Namen "Nævra". Von da an war sie im Trondheimsfjord und Fosen im Einsatz und transportierte Holz, Kalk und Trockenfisch. Um 1950 wurde die Jekt an Albert Garnvik in Trondheim verkauft.
1952 wurde das Schiff wiederum modernisiert und war in Hitra im Einsatz, anschließend transportierte sie Hackschnitzel zwischen den Papiermühlen in Namsos, Innherred und Ranheim. 1972 wurde "Nævra" verkauft und war bis 1978 im Küsteneinsatz eingesetzt, bis sie 1978 in Harstad stillgelegt wurde.
Dort wurde sie 1979 vom Steinkjermuseum erworben und die Restauration bis hin zum originalen Viereckssegel wurde 1980 in Angriff genommen und 1986 vollendet. Die Jekt ist heute im Besitz der Stiftelsen Egge Museum und in Kooperation mit der Nord-Trøndelag fylkeskommune wurde der Zustand des Schiffs vor seinem Umbau 1897 wiederhergestellt.
• Jekter og jektefart fra Innherred, Olav L`Orange, Nord-Trøndelag Historielag 1989.
• Handel og handelsmenn i gamle Steinkjer, Kjell Saxvik, 1970
• Emblem, Libæk, Stenersen: Norge 1, Cappelen, 1997.
• Trøndelags historie, Tapir akademisk forlag, 2005
• Steinkjer kunnskapsportal, http://v1.steinkjerkunnskapsportal.no
• Deutsche Übersetzung: Uwe Gernert, Gesellschaft für Selbstspielende Musikinstrumente e.V. Website: https://antiques.bayern